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31.05.2023

Wenn Kreativität zum Zuge kommt… (Teil I)

Bergstadtbote Juni 2023: Dr. Markus Lommer, Heimat(er)kunde(n) Nr. 35:
Von wegen Schmalspur: Peter Raßkopf. Wenn Kreativität zum Zuge kommt… (Teil I)

Ab die Post, es ist höchste Eisenbahn: Lebensspuren eines Oberpfälzer Originals zu erkunden, lautet unser Fahrplan diesmal. Schon pfeift der Schaffner zum Abfahrsignal! Wilhelm Busch, Ludwig Thoma & Co. hätten wohl ihre helle Freude daran gehabt, wie sich der gefährlich intelligente Lausbub zum sympathischen Gentleman auswuchs – und bisweilen auch wieder zurückmutiert. Kurzweil unter Volldampf ist auf dieser Zeitreise vorprogrammiert.
Die Rede ist von Peter Raßkopf, ein halbes Jahr vor Kriegsbeginn hier im Stadtkrankenhaus auf dem Bühl geboren. Vater Friedrich kam aus Würzburg, war Oberingenieur und arbeitete bei der Maxhütte, zeitweise als Leiter des technischen Büros. Mutter Elisabeth entstammte der Sulzbacher Familie Schiekofer. Aufgewachsen im Schelmesgraben (welch ein Omen!), logierte Klein-Peter zeitweise bei den Großeltern in der Neutorgasse kurz vor Einmündung der Neustadt. Nur einen Tag lang hielt es der Knirps im Evangelischen Kindergarten aus, dann sagte er dort schon wieder „Adieu“ – nach einer Rauferei, die ihm den Aufenthalt dort gleich zu Beginn gründlich vermieste.
Bei Kriegsende im Frühjahr 1945 sah Peter auf amerikanischen Panzern, die den Bierhalsberg heraufkrochen, erstmals Menschen schwarzer Hautfarbe: Soldaten, die ihm Schokolade zuwarfen, was der Dreikäsehoch voll süß fand. Nicht so toll dagegen war, wie man aus der elterlichen Wohnung für fünf, sechs Wochen raus musste, da dort ein Major der US-Army einquartiert wurde. Ein Interimsquartier fand Familie Raßkopf mit ihren beiden Buben beim Brunner-Schuster in der Fröschau.
Seine Schultüte sollte der ABC-Schütze alsdann ins „Sörgelschulhaus“ (beim heutigen Bauhof) tragen. Dort ertrug ihn die opferbereite Lehrerschaft 1945-1949 als Grundschüler voller Vorwitz und Tatendrang. Mit im Klassenzimmer übrigens: der spätere Maler Heiner Koch, noch so ein „amtsbekannter“ Sulzbacher voll schelmischer Kreativität... Raßkopf erinnert sich nicht nur an die Nachkriegs-Schulspeisung in großen Klassenverbänden. Ungelöscht im Gedächtnis bleib auch eine ernsthafte Erkrankung: Typhus zwang ihn nach Amberg in Quarantäne. Nach acht Wochen konnte er sein Exil verlassen. Doch durch seine unbändige Leidenschaft, Bücher zu lesen, ja zu „fressen“ (selbst bei schlechtem Licht), zog er sich ein Augenleiden zu.
Nicht minder leidvoll folgende frühe literarische Erfahrung: Leichtsinnigerweise hatte man dem kreativen Kerl die gedruckten Lausbubengeschichten von Ludwig Thoma geschenkt. Von da an schrieb er sämtliche Deutsch-Aufsätze im Stil dieser animierenden Texte, welche er im Sinne von Gebrauchsanweisungen zu interpretieren wusste. In der Schule freilich kam das nicht gut an! Die Eltern, vom Lehrer zitiert, nahmen ihm die Bücher prompt wieder ab. Doch Peter hatte vorgesorgt, alle Geschichten auswendig gelernt und so den Stoff der losen Stories stets präsent! Den Jugendlichen faszinierten auch die damals beliebten „Lux-Lesebogen“ oder populärwissenschaftliche Zeitschriften wie „Orion“. Sie weckten sein Interesse für die Natur – „und das wirkt bis heute nach“, bekennt er begeistert.
Ab der 6. Klasse besuchte der muntere Junge die Oberrealschule in der Neustadt, wo Anfang des 20. Jahrhunderts die „Evangelische Höhere Töchterschule“ errichtet worden war (aktuelle Haus-Nr. 20). Manchmal wurde in einem Ausweichquartier unterrichtet, in einer längst abgerissenen Baracke neben dem Scherling-Stadel zwischen Alter Straße und An der Allee. Dies ist die Zeit, als Peter sein Faible für Tiefgänge besonderer Art entdeckte: Der mit ihm seelenverwandte Schüler Ferdinand Leja musste einmal wiederholen und kam so in Peters Klasse. „Das war derselbe Kindskopf wie ich“, sinnierte der Senior neulich, „er hat mich mit seiner Begeisterung für Höhlen angesteckt.“ Standen zuerst Erkundungen der nahen Sternsteinhöhlen auf dem Plan, führten mit 16 Jahren erste Fahrrad-Exkursionen dann auch schon mal ins „Loch“ bei Königstein und zu anderen dunklen, geheimnisvollen Zielen. Höhlenbefahrungen sollten von da an über Jahrzehnte hin zu Raßkopfs eindrucksvollsten Erlebnissen zählen. Da wurde auch schon mal bei nur 9°C im kalten Wasser der Mühlbach-Quellhöhle geschwommen…
Doch zurück in die Oberrealschule: Beim abenteuerlichen Umzug ins sogenannte „Kreishaus“ in der Neumarkter Straße anno 1953 (mit Leiterwagen etc.!) mussten auch Schüler mithelfen. Peter Raßkopf bot Lehrerin Helene Pöllmann an, ein menschliches Skelett zu tragen, das auf einen Kartenständer hängend mit einem schwarzen Mantel bedeckt war. Natürlich rutschte dieser Umhang beim Transport auf dem steilen Weg ins Bachviertel „versehentlich“ herunter, was bei Passanten weniger großes Gruseln denn ein heiteres Hallo provozierte. Als dann 1958 das zweite Sulzbacher Abitur überhaupt lief, erreichte Raßkopf – manch mathematischer Misserfolge zum Trotz –
seine Hochschulreife. Da sein Berufswunsch zunächst unklar war, machte er erstmal Ferienarbeit bei der Maxhütte. Was aus Peter Raßkopf dann wurde, wird die Fortsetzung in der nächsten Ausgabe des Bergstadtboten bringen.

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