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31.01.2024

Als junger Flüchtling zum Uhrmachermeister

Als junger Flüchtling zum Uhrmachermeister

Ein guter Uhrmacher ist schwer zu finden im Land, ein guter Uhrmachermeister noch viel mehr - und doch arbeiten jetzt gleich drei davon in der Herzogstadt am selben Fleck: Markus Sindel, Inhaber der Firma Uhren-Schmuck-Pemsel, hat mit seiner Tochter Carina und dem 34-jährigen Saeed nun ein wohl einzigartiges Trio im Geschäft.
Markus Sindel selbst kam 1998 von Feuchtwangen nach Sulzbach-Rosenberg und übernahm dort mit seiner Frau Stephanie die Firma Pemsel. Er hatte 1993 mit 23 Jahren seinen Meisterbrief erhalten. Und er war selber 1990 bei der Gesellenprüfung Landessieger in Bayern und später dritter Bundessieger. Nach gut 30 Jahren hat es ihm seine Tochter Carina nachgemacht - sie wurde 2021 bayerische Landessiegerin mit einer glatten 1,0 in den Gesellenprüfungen und legte 2022 mit Bravour ihren Meistertitel hin. Auch sie arbeitet im elterlichen Betrieb, einer zertifizierten Uhrmacherwerkstatt.
Und auch der Dritte im Bunde ist ein Ass: 1989 in Damaskus geboren, besuchte Saeed die Schule bis zum Abitur und machte dann eine Ausbildung zum Zahntechniker. Doch sein Großvater und Vater waren schon Uhrmacher, und auch der junge Saeed begeisterte sich dafür. So wurde er vom Vater angelernt, der seinerseits von Saeeds Großvater, der von einem Franzosen seine Kenntnisse erlangt hat, angelernt wurde. Saeed arbeitete neun Jahre in Syrien bei zwei renommierten Betrieben mit den Marken Rado, Omega, Hublot und vielen mehr. Nebenbei half er im Geschäft seines Vaters mit. Doch dann kam die Einberufung: „Ich wollte nicht auf meine Brüder schießen und gegen die Demokratie kämpfen“, erklärt der junge Mann seine Motive. Nur mit einer kleinen Tasche verließ er am 23. Oktober vor zehn Jahren seine Heimat Syrien. Seine Familie lebt noch heute dort und in der Türkei.
Die Flüchtlingsodyssee führte ihn zunächst in die Türkei, wo er übergangsweise Tellerwäscher, Lastwagen-Entlader und am längsten als Touristenführer arbeitete und die türkische Sprache erlernte. Zwei Jahre später musste er aufgrund der dortigen Flüchtlingspolitik die Türkei verlassen und gelangte über Griechenland, Mazedonien, Serbien, Ungarn, Kroatien, Slowenien und Österreich nach Deutschland, wo er am 25. September 2015 ankam. Zunächst verbrachte er in Traunstein sechs Monate, dann wurde sein Asylverfahren abgeschlossen. Er galt seit Februar 2016 als anerkannter Flüchtling. Und das war entscheidend für sein weiteres Leben: Dank des Asylrechtes konnte er in München einen Integrationskurs besuchen. Saeed, der neben Arabisch auch Türkisch und Englisch beherrscht, lernte hier Deutsch vom A1- bis zum B2-Kurs und arbeitete nebenher seit 2017 als Uhrmacher, nachdem er seine Anerkennung als Uhrmacher bei der Handwerkskammer hervorragend gemeistert hatte. Diese testete den Bewerber in einem Qualifikationsprojekt gründlich: „Er kennt alle Uhrentypen, und er kann was“, lautete das Ergebnis. Es wurde ihm erlaubt, eine Ausbildung zum Uhrmacher in Deutschland zu beginnen. In Heimstetten bei München fand er einen Ausbildungsbetrieb und begann mit der dualen Ausbildung am 1. September 2018 und legte 2021 die Gesellenprüfung mit besonderer Anerkennung ab.
Und gleich nach dem Gesellenbrief ging es ab zur Meisterschule: Saeed machte 2022 seinen Uhrmachermeister, deutlich besser als so mancher einheimische Bewerber. Er spricht inzwischen perfekt Deutsch und arbeitete ein Jahr bei einem renommierten Uhrmacher in Regensburg. Dort war er unter anderem spezialisiert auf Reparatur, Service und Wartung von Luxusuhren unter anderem der Marken Rolex, Breitling, IWC. Seit November ist er nun angestellt als dritter Uhrmachermeister im Betrieb von Markus Sindel in der Werkstatt.
Sein größter Wunsch aber ging im Herbst in Erfüllung - im Briefkasten lag ein Schreiben des Landratsamtes: „Die Überprüfung Ihres Einbürgerungsantrages ist abgeschlossen, dem Antrag kann stattgegeben werden.“ Darauf hatte er so lange sehnsüchtig gewartet, jetzt hatte die Ausländerbehörde gemeinsam mit Landrat Richard Reisinger die Prüfung positiv abgeschlossen, und Saeed bekam einen deutschen Pass. Eine Integrationsgeschichte, wie sie vorbildlicher kaum hätte sein können, ist damit zu Ende gegangen.
Der junge Mann aus dem Nahen Osten, der inzwischen Schnitzel, Bratwürste und auch ein Bier zu schätzen weiß, ist voll angekommen in unserer Gesellschaft. Seine handwerkliche Arbeit wird hochgeschätzt, sein freundliches Wesen half und hilft ihm stets voran. „Ich möchte unbedingt noch Französisch lernen als dritte Fremdsprache neben Türkisch und Englisch“ - Deutsch zählt er schon gar nicht mehr dazu. Und er strebt eine Weiterbildung zum geprüften Restaurator an, lernt derzeit viel übers Goldschmieden und die Systeme alter Uhren. Es als junger Flüchtling in sieben Jahren zum Uhrmachermeister und voll integriertem deutschen Staatsbürger zu bringen, das macht ihm so schnell keiner nach.

Joachim Gebhardt

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